HPV Impfleitlinie

Primärprävention

von Genitalwarzen

 

Zielpopulation

Die meisten Studien, welche die Wirksamkeit der tetravalenten Impfung untersuchten, wurden an Mädchen/Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren durchgeführt. Somit können als allgemeine temporäre Zielgruppen zunächst die präadoleszenten Mädchen genannt werden. Zusätzlich zu den Studien, die nur Mädchen mit einschließen, gibt es auch neuere Veröffentlichungen, bei denen im Rahmen von Studien Jungen geimpft wurden [56] und bei denen bei beiden Geschlechtern eine hohe Wirksamkeit gezeigt werden konnte.

Wirksamkeit Genitalwarzen

Es erfüllten drei Studien die Einschlusskriterien der Leitlinie [55, 62, 66]. Dabei handelt es sich um zwei Initialstudien [55, 62] sowie eine Nachbeobachtungsstudie [66], die einen Teil der Studienpopulation der Vorgängerstudie umfasst. Alle drei Studien wurden mit einem "Evidenz"grad A2 bewertet. Somit ergibt sich ein "Evidenz"niveau 1.

Studien mit einem tetravalenten Impfstoff (Gardasil®)

Villa et al. [55] führten eine multizentrische Phase II Studie an insgesamt 552 Frauen im Alter von 16-23 Jahren mit dem tetravalenten Impfstoff gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 im Vergleich zu Plazebo durch. Bezogen auf das Neuauftreten von Genitalwarzen wurde in dieser Studie die Inzidenz extragenitaler Läsionen erfasst. Darunter wurden Condylomata acuminata, VIN und VAIN zusammengefasst. Nach einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 30 Monaten war bei insgesamt drei bzw. vier Frauen (ATP: 3/233, ITT: 4/261) eine extragenitale Läsion nachzuweisen, alle waren der Plazebogruppe zuzuordnen. Eine weitere Differenzierung der extragenitalen Läsionen wurde nicht durchgeführt. Aufgrund der kleinen Fallzahlen wurde kein statistischer Test durchgeführt.
Villa et al. [66] führten mit 241 Frauen der Initialstudie eine Nachbeobachtungsstudie über einen Zeitraum von fünf Jahren durch. Auch in dieser Verlängerungsperiode traten keine neuen Fälle extragenitaler Läsionen bei den Frauen der Vakzingruppe auf. In der Plazebogruppe kam es bei 3 von 233 Patientinnen (ATP) bzw. bei 4 von 261 Patientinnen (ITT) zum Auftreten von Kondylomen. Aufgrund der kleinen Fallzahlen wurden für die statistische Auswertung Kondylome und CIN 1-3 Läsionen zusammengefasst. Für die Vakzine ergab sich damit eine Effektivität bezogen auf die Prävention der HPV 6/11/16/18-assoziierten extragenitalen Infektionen von 100% (95% CI:55.3-100%).

Garland et al. [62] führten eine multizentrische randomisierte kontrollierte Phase III Studie mit 5455 Frauen im Alter von 16-24 Jahren mit dem tetravalenten Impfstoff gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 durch. Neben dem Neuauftreten von CIN, VIN und VAIN wurde auch die Inzidenz von Genitalwarzen in dieser Studienpopulation untersucht.
Nach einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 36 Monaten konnten bei 48 Frauen HPV 6/11/16/18-assoziierte Genitalwarzen nachgewiesen werden. Alle Fälle waren der Plazebogruppe zuzuordnen (ATP: 48/2279). Damit errechnet sich eine Effektivität in Bezug auf die Prävention des Neuauftretens impfstoffassoziierter Genitalwarzen in der ATP-Analyse von 100% (95% CI: 92-100). In der Studie von Garland et al. [62] wurde die Wirksamkeit der Vakzine darüber hinaus an zwei weiteren Studienpopulationen (USP und ITT) untersucht. Bei den Frauen in der USP traten nach einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 36 Monaten 70 Fälle von impfstoffassoziierten Genitalwarzen auf. Dabei war die große Mehrheit der Plazebogruppe zuzuordnen (67/2684). Bei insgesamt drei Frauen der Vakzingruppe (3/2667) traten im Verlauf der Studie impfstoffassoziierte Genitalwarzen auf. Damit errechnet sich in der USP-Analyse eine Effektivität in Bezug auf die Prävention des Neuauftretens impfstoffassoziierter Genitalwarzen von 96% (95% CI: 86-99).
In der ITT-Analyse waren bei den Frauen nach durchschnittlich 36 Monaten insgesamt 107 Fälle von impfstoffassoziierten Genitalwarzen nachweisbar, davon 86 in der Plazebogruppe (86/2732) sowie 21 in der Vakzingruppe (21/2723). Damit errechnet sich in der ITT-Analyse eine Effektivität in Bezug auf die Prävention des Neuauftretens impfstoffassoziierter Genitalwarzen von 76% (95% CI: 61-86). In Bezug auf die kumulative Inzidenz in dieser Gruppe fiel auf, dass diese in der Plazebogruppe kontinuierlich über die Zeit anstieg. In der Vakzingruppe zeichnete sich dagegen ein Plateau ab. Garland et al. [62] untersuchten in einer zweiten ITT-Population die Wirksamkeit der Vakzine in Hinsicht auf die Prävention aller anogenitalen Läsionen, unabhängig davon, durch welchen HPV-Typ (auch nicht Vakzin-Typen) sie ausgelöst wurden. In dieser Studienpopulation waren bei den Frauen nach durchschnittlich 36 Monaten insgesamt 166 Fälle von Genitalwarzen nachweisbar, davon 111 in der Plazebogruppe (111/2732) sowie 55 in der Vakzingruppe (55/2723). Damit errechnet sich in dieser ITT-Analyse eine Effektivität in Bezug auf die Prävention des Neuauftretens von Genitalwarzen von 51% (95% CI: 32-65).

Impfschutz - Impfdauer - Erfolgskontrolle

Über die Dauer des Impfschutzes und die damit verbundenen Impfkontrollen lässt sich zum heutigen Datum noch keine definitive Aussage machen.
Es konnte gezeigt werden, dass eine Vakzinierung mit HPV-VLP die Bildung neutralisierender Antikörper induziert und die Titer 100 bis 1000 fach höher sind, als in der Kontrollgruppe [55, 59, 63, 64, 66, 67, 76]. Villa und Mitarbeiter maßen in Ihren Studien die Antikörpertiter (geometrische Mittelwerte, GMT) gegen alle vier in der Impfung enthaltene Typen. Es zeigte sich ein deutlicher Titeranstieg in der Vakzingruppe nach Vollendung der Impfung. Die erste Messung im Monat 7 ergab dabei deutlich höhere Werte als in der Kontrollgruppe (Frauen mit natürlicher Seropositivität).

Die volle Wirksamkeit der Gardasil®-Impfung wurde belegt, wobei die Seropositivität 2 Jahre nach der Impfung für HPV 6, 11 und 16 bei über 96% lag, während der Titer bei HPV 18 in 68% noch nachweisbar war [21]. Daten von Block und Mitarbeitern zeigen, dass die Impfung von 10-15-jährigen Mädchen und Jungen mit der HPV 6, 11, 16, 18-L1-VLP-Vakzine zu hohen Titern HPV-typspezifischer neutralisierender Antikörper bei beiden Geschlechtern führt [56]. Dies deutet darauf hin, die präventive HPV 6, 11, 16, 18-Impfung in der allgemeinen Bevölkerung geschlechtsneutral einzuführen, sofern auch laufende klinische Untersuchungen zur Prävention von Condylomata acuminata bei männlichen Jugendlichen erfolgreich verlaufen.

Wesentlich Gegenanzeigen/Anwendungsbeschränkungen

Es gelten die allgemeinen Anwendungsbeschränkungen und Gegenanzeigen, wie in der Produktinformation und auf Seite 30 der Leitlinie beschrieben.

Praktikabilität

Die tetravalente Impfung wird einmal initial, dann im Abstand von zwei und sechs Monaten jeweils noch einmal intramuskulär verabreicht. Damit ist der Aufwand für Arzt und Patient als gering und die Praktikabilität der Impfung als gut einzuschätzen.

Kosten

Genitalwarzen sind sehr häufige Erkrankungen. In den USA und in Europa werden Warzen des Genitoanalbereiches bei ca. 1 % der sexuell aktiven Erwachsenen zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr nachgewiesen. Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass die Häufigkeit weiter steigt. Verschiedene teils zeit-, teils kostenintensive therapeutische Verfahren stehen zur Verfügung [77]. Nach Untersuchungen von Gieseking (2005) [78] geht die Behandlung von Genitalwarzen in Deutschland mit erheblichen Kosten für die Gesellschaft einher. Die durchschnittlichen Gesamtkosten belaufen sich auf 733 € und 1370 € für rezidivierende und persistierende Fälle. Bei neu aufgetretenen Genitalwarzen fallen ca. 378 € an. Die Gesamtkosten durch Genitalwarzen in Deutschland pro Jahr werden auf 50 Millionen Euro geschätzt.
In einer Kosteneffektivitätsanalyse für Deutschland wurde eine Kosteneffektivität der HPV 6, 11, 16, 18-Impfung durch die Reduktion von Krebsvorstufen, abklärungsbedürftigen Vorsorgeabstrichen und auch Kondylomen gegenüber einem alleinigen Krebsfrüherkennungsprogramm festgestellt. In einer Kohorte von 400.064 12-jährigen Mädchen würden bei alleinigem Krebsfrüherkennungsprogramm 41.257 Fälle von Genitalwarzen auftreten. Die Einführung der HPV 6, 11, 16, 18-Impfung würde 36.815 Fälle von Genitalwarzen verhindern [74].
Bei einer Durchimpfungsrate von 100% beträgt die Kosteneffektivitätsrelation 12.076 €/QALY, was als sehr kosteneffektiv gilt.

Einfluss auf Sekundärprävention

Eine routinemäßig durchgeführte Vorsorgeuntersuchung, ähnlich dem Pap-Abstrich zur Zervixkarzinomvorsorge gibt es zur Früherkennung von Genitalwarzen nicht. Somit ist hier keine Aussage möglich.

Zusammenfassende Beurteilung

Es erfüllten insgesamt drei Studien die Einschlusskriterien der Leitlinie. Alle Studien wurden mit einem "Evidenz"grad A2 bewertet. Daraus ergibt sich ein "Evidenz"niveau 1.

Zur Wirksamkeit der tetravalenten Impfung zur Verhinderung von Genitalwarzen bei weiblichen Minderjährigen und jungen Frauen liegen somit ausreichende Daten vor. Im Rahmen der durchgeführten Studien gibt es Hinweise darauf, dass bei weiblichen Minderjährigen/jungen Frauen die tetravalente Impfung auch gegen Genitalwarzen wirksam ist. Trotz fehlender klinischer Studien bei Mädchen im Alter von 9-16 Jahren ist aufgrund überzeugender immunologischer Daten eine Impfung dieser Altersgruppe zum Schutz vor Condylomata acuminata dringend zu empfehlen.
Bei Männern wurde eine Immunogenität des tetravalenten Impfstoffs gezeigt, Daten zur klinischen Wirksamkeit liegen bislang nicht vor. Mit Ergebnissen laufender Studien wird in einigen Monaten gerechnet.

Genitalwarzen

Die Wirksamkeit der Impfung hinsichtlich der Verhinderung der ganz überwiegend HPV 6/11 enthaltenden Genitalwarzen (Condylomata acuminata) ist bei HPV 6/11-negativen Frauen überzeugend belegt (EN 1). Die Datenlage bezüglich der Wirksamkeit und der Verträglichkeit beruht auf Studien bei 15-25 Jährigen. Die Impfung mit dem HPV 6 und 11 enthaltenden Impfstoff sollte jedoch bereits zwischen 9 und 17 Jahren erfolgen und möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr vollständig (drei Dosen) abgeschlossen sein.

Für einen frühen Beginn sprechen:

- geringeres Risiko einer bereits erfolgten HPV-Exposition (Kohabitarche)

- höhere Immunogenität bei Jüngeren sowie kein Hinweis auf schlechtere Verträglichkeit

- Erreichbarkeit der Zielgruppe (Impfschemakompatibilität)

 

Mädchen/Frauen über 17 Jahre

Bei Mädchen/Frauen über 17 Jahre sollte in einem individuellen Gespräch die Nutzen-Risiko-Kosten-Abwägung diskutiert werden, und auf dieser Basis eine Entscheidungsfindung erfolgen. Mit steigendem Alter bzw. der Anzahl und dem Sexualverhalten der Partner erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer HPV-Infektion, damit verringert sich der erwartete Nutzen der Impfung.
Eine eindeutige und allgemeine Empfehlung kann für diese Gruppe nicht gegeben werden.

 

Männer/männliche Jugendliche

Bisher fehlen Ergebnisse zur Wirksamkeit aus klinischen Untersuchungen. Der Wirksamkeitsnachweis ist eine Voraussetzung für die Empfehlung der Impfung männlicher Jugendlicher.

 

 

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