Einführung
Bedarfsanalyse
Mit anogenitalen humanen Papillomviren (HPV)-assoziierte
Neoplasien sind einerseits durch eine hohe Morbidität und Mortalität andererseits
durch eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität gekennzeichnet. Jährlich
erkranken weltweit 494.000 Frauen, in Deutschland 6.500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs
(Zervixkarzinom) [1]. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes wurden
im Jahr 2004 in Deutschland 1660 Todesfälle in Folge eines Zervixkarzinoms
dokumentiert. Die Zahl der jährlichen Todesfälle in Europa, die auf diesen
malignen Tumor zurückzuführen sind, beträgt 15.000, weltweit etwa 275.000.
Molekularbiologische und epidemiologische Untersuchungen der vergangenen
25 Jahre konnten zeigen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der
persistierenden Infektion mit HPV 16 und HPV 18 sowie mindestens 11 weiteren
sogenannten Hochrisiko-HPVs (HR-HPVs) und der Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs
und seinen Vorläuferläsionen (sog. Dysplasien bzw. Cervical Intraepithelial
Neoplasias – CIN) besteht. HPV 16, HPV 18 und andere HR-HPVs sind
auch die Ursache anderer Karzinome und ihrer Vorstufen. Dies gilt für einen
Teil der Vulva-, Vaginal-, Penis- und Analkarzinome sowie Tonsillen-, Kehlkopfkrebs
und bestimmte Formen von Hautkrebs.
Sogenannte Niedrigrisiko-HPVs (NR-HPVs) wie HPV 6 und HPV 11 sind ursächlich
mit über 90% der anogenitalen Condylomata acuminata (spitze Kondylome, anogenitale
Warzen) verknüpft. Condylomata acuminata sind die weltweit häufigste virale
sexuell übertragene Krankheit (STD). Es wird geschätzt, dass ca. 1% der
europäischen und bundesdeutschen Bevölkerung (Altersgruppe von 15.-49. Lebensjahr)
von diesen gutartigen, die Patienten jedoch häufig schwer beeinträchtigenden
Tumoren betroffen ist. Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass die
Häufigkeit weiter steigt.
Condylomata acuminata führen oft zu Ängsten und psychosozialen Komplikationen
sowie zu Partnerproblemen und damit zur erheblichen Einschränkung der Lebensqualität.
Mit der Entwicklung prophylaktischer Vierfachimpfstoffe (HPV 6, 11, 16,
18) bzw. Zweifachimpfstoffe (HPV 16, 18) lässt sich die Infektion des Zervixepithels
und anderer Plattenepithelien, die Entwicklung von Krebsvorstufen und im
Falle der Vierfachimpfung (HPV 6, 11, 16, 18) auch die Entwicklung von Condylomata
acuminata verhindern.
Mit der Implementierung der prophylaktischen HPV-Vakzinierung in Deutschland
wird angestrebt, die Morbidität und die Mortalität aber auch mittelfristig
die im Rahmen der zytologischen Krebsprävention, Diagnostik und Therapie
anfallenden hohen Kosten zu reduzieren. Durch die Vakzinierung soll zudem
verhindert werden, dass Patienten, die an Condylomata acuminata und/oder
anogenitalen HPV-assoziierten Krebsvorstufen leiden, eine Verminderung der
Lebensqualität erfahren.
Die vorliegende S3-Leitlinie zur „Impfprävention HPV-assoziierter
Neoplasien“ befasst sich ausschließlich mit der prophylaktischen Vakzinierung
gegen die HPV 16- und HPV 18- bzw. HPV 6- und HPV 11-Infektion und damit
mit der Prävention des Zervixkarzinoms, der Zervixdysplasien, anderer Karzinome
und Vorstufen sowie der primären Prävention der Condylomata acuminata und
Larynxpapillome. Damit ist diese S3-Leitlinie von zwei anderen HPV-Leitlinien
klar abgegrenzt:
- S1-Leitlinie: „Condylomata acuminata und andere HPV-assoziierte Krankheitsbilder von Genitale, Anus und Harnröhre“, Leitlinie der Deutschen STD-Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (Upgrading zur S2-Leitlinie geplant)
- S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe „Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und HPVassoziierter präinvasiver Läsionen in der Gynäkologie und Geburtshilfe“
weiter:
1.2 Ziele der Leitlinie
1.3 Hinweise zur Anwendung der Leitlinie
1.4 Methodik