Hintergrund
Virologie
Nach dem initialen Nachweis von DNA-Sequenzen von humanen
Papillomviren (HPV) in genitalen Warzen und im Zervixkarzinom Anfang
der 1980er Jahre belegten umfangreiche molekularbiologische und epidemiologische
Studien den Zusammenhang von HPV-Infektion und Entwicklung von zervikalen
Dysplasien und Gebärmutterhalskrebs. Heute sind 11 verschiedene "low-risk"
HPV-Typen (HPV 6, 11, 40, 42, 43, 44, 54, 61, 70, 72, 81) als Verursacher
von Genitalwarzen bzw. niedriggradigen Dysplasien beschrieben. Die Rolle
von 13 "high-risk" HPV-Typen (HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39,
45, 51, 52, 56, 58, 59, 66) bei der Entstehung von hochgradigen Dysplasien
bzw. Gebärmutterhalskrebs gilt als gesichert, für 5 weitere (HPV 26,
53, 68, 73, 82) wird eine Beteiligung vermutet [2].
Papillomviren sind kleine DNA-Viren, deren etwa 8000 Basenpaar großes
Genom in einem ikosaedrischen, etwa 55nm großen Kapsid verpackt ist.
Das Kapsid besteht aus nur zwei viralen Proteinen, L1 (late protein
1) und L2, in einem Verhältnis von 30:1. Das L1 bestimmt den Kapsidaufbau
und ist maßgeblich für die Immunogenität der verschiedenen HPV-Typen
verantwortlich. Jeweils fünf L1 Proteine bilden ein Kapsomer, von denen
72 ein Kapsid aufbauen.
Humane Papillomviren infizieren ausschließlich Epithelzellen der Haut
oder der Schleimhäute. Neben dem Menschen sind auch bei vielen anderen
Säugetieren und einigen Vogelarten Papillomviren gefunden worden. Das
Erscheinungsbild der durch PV hervorgerufenen Veränderungen ist sehr
unterschiedlich und reicht von unscheinbaren flachen Plantarwarzen über
Kondylome zu zervikalen Neoplasien. Mit Ausnahme der hochgradigen Krebsvorstufen
und Karzinome findet in diesen Läsionen die Virusvermehrung statt und
es sind Partikel nachweisbar. Bisher gibt es kein effizientes experimentelles
System, in dem natürliche HPV gezüchtet werden können. Mit Hilfe gentechnischer
Verfahren wurde es aber möglich, sogenannte Pseudovirionen (enthalten
ein Markergen, dessen Expression leicht nachgewiesen werden kann und
die zur Bestimmung neutralisierender Antikörper benutzt werden) sowie
Virus-ähnliche Partikel (virus-like particles: VLP, der Bestandteil
der prophylaktischen Impfstoffe), zu produzieren.
HPV werden durch direkten Hautkontakt übertragen. Da sie aber resistent
gegen Austrocknung sind könnten auch Schmierinfektionen über kontaminierte
Oberflächen vorkommen. Für die genitalen HPV-Typen gilt Sexualkontakt
als Hauptinfektionsweg. Bereits 2 Jahre nach Kohabitarche waren in einer
Studie kumulativ 33% der jungen Frauen mit HPV infiziert Diese HPV-Infektionen
heilen in den meisten Fällen spontan aus. In etwa 20% können aber persistente
Infektionen auftreten, die über hochgradige Dysplasien zu Karzinomen
progredieren können.
Da die Infektion mit HPV ein initiales und notwendiges Ereignis für
die Entstehung von Zervixkarzinomen ist, kann die Unterbindung der primären
Infektion mit HPV zu einer Verhinderung des Zervixkarzinoms führen.
2.2 Epidemiologie der anogenitalen HPV-Infektion
Weltweit wird die HPV-Prävalenz bei Frauen auf 2-44%,
für Europa auf 8-15% geschätzt [3, 4]. Bei sexuell aktiven Jugendlichen
und jungen Erwachsenen ist sie am höchsten. In Deutschland hat eine
Umfrage ergeben, dass 14-jährige bereits zu 11% erste sexuelle Kontakte
hatten (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung). Der erste Gipfel
der HPV-Prävalenz findet sich dementsprechend bei Frauen unter 25 Jahren.
Eine Studie zu 18 bis 25-Jährigen in den USA wies bei 20% der Frauen
Hochrisiko-Typen nach, wobei es sich bei 7,8% um HPV 16 und 18 handelte.
Die Niedrigrisiko-Typen HPV 6 und 11 wurden dagegen in der gleichen
Kohorte nur bei 2,2% detektiert [5]. Die kumulative Inzidenz der HPV-Infektion
bei 15 bis 19 Jahre alten Frauen lag in England und den USA über eine
3-Jahresperiode bei über 40% [3].
Eine Ko-Infektion oder sequentielle Infektion mit multiplen, auch eng
verwandten HPV-Typen ist möglich. Das Risiko für genitale HPV-Infektionen
steigt mit zunehmender Zahl der Sexualpartner und mit zunehmender Zahl
der Sexualpartner des Partners. Insbesondere Partnerinnen HPV-positiver
Männer haben ein erhöhtes Risiko, am Zervixkarzinom zu erkranken (OR
4,9; 95% CI 1,9-12,6) [6]. Bei etwa 67% der Patientinnen mit inzidenter
HPV 16-Infektion kommt es innerhalb von 16 Monaten zu einer Serokonversion
[7]. Fasst man Studien auf der Basis des HPV-DNA-Nachweises und der
Serologie zusammen, so infizierte sich mehr als die Hälfte aller sexuell
aktiven Frauen in ihrem Leben mit einem oder mehreren genitalenHPV-Typen
[3].
Wie im Kapitel Nachweisverfahren dargestellt, stehen
standardisierte serologische Nachweisverfahren allerdings bisher nicht
zu Verfügung, so dass entsprechende Daten vorsichtig interpretiert werden
sollten.
Mit zunehmendem Alter sinkt die HPV-Prävalenz. In mehreren deutschen
Studien lag die Prävalenz für HR-HPV bei Frauen nach dem 35. Lebensjahr
bei 4-6% [8-10]. HPV 16 ist der häufigste HR-HPV-Typ und konnte bei
26,8% aller HR-HPV-positiven Frauen nachgewiesen werden, gefolgt von
HPV 31 (10,9%). HPV 18 fand sich in der gleichen Untersuchung nur bei
7,7% [8]. Die meisten HPV-Infektionen verlaufen transient über circa
4-20 Monate, wobei Hochrisiko-Viren länger zu persistieren scheinen
als Niedrigrisiko-Viren [11]. In einigen Studien wurde ein zweiter Gipfel
der HPV-Prävalenz um die oder nach der Menopause dokumentiert, der wahlweise
als mögliche Reaktivierung der Infektion aus einem latenten Stadium,
als neue Infektion infolge Partnerwechsel, oder als Geburtskohorteneffekt
erklärt wird [11].
Auch bei Männern ist die HPV-Prävalenz sehr hoch. Sie betrug in verschiedenen
Studien zwischen 3,5% und 45%. Für Hochrisiko-Typen lag sie zwischen
2,3% und 34,8% mit HPV 16 als häufigstem Typ, für Niedrigrisiko-Typen
zwischen 2,3% und 23,9% [6]. Bei Männern beobachtete man eine kürzere
Infektionsdauer (meist unter einem Jahr).
2.3 Pathogenese
Die meisten Untersuchungen zur Pathogenese von HPV konzentrierten
sich auf Hochrisiko-Viren (HR-HPV) und ihre Rolle bei der Zervixkarzinogenese.
Eine ursächliche Rolle von HPV wird darüber hinaus gesehen für die Mehrzahl
der Analkarzinome und Untergruppen von Vulva-, Vagina-, Penis- und Kopf/Hals-
Karzinomen [2]. Analogieschlüsse hinsichtlich der Pathogenese dieser
Tumoren sind wahrscheinlich berechtigt, aber bedürfen weiterer Bestätigung.
Die weit verbreiteten HPV-Infektionen des Anogenitalbereichs bleiben
entweder klinisch inapparent oder führen abhängig vom Virustyp zu milden
und mäßigen Dysplasien (CIN1/2) oder gutartigen Genitalwarzen (Condylomata
acuminata), in denen aktive Virusvermehrung und Virusproduktion zu beobachten
sind. Etwa 70% der Frauen mit inzidenter HPV-Infektion eliminieren das
Virus innerhalb eines Jahres, wahrscheinlich in Folge einer effektiven
Immunantwort, verbunden mit einer Regression der assoziierten Neoplasie
[12, 13].
Der HPV-Vermehrungszyklus ist eng an den Differenzierungsgrad des Plattenepithels
gekoppelt [14, 15]. In den primär infizierten Zellen der Basalschicht
können kaum virale DNA und Transkripte nachgewiesen werden. In den Zellen
des Stratum spinosum nimmt die Expression der regulatorischen Proteine
einschließlich der viralen Onkoproteine E6 und E7 stark zu [16]. Das
E7-Protein ist notwendig und hinreichend für die Induktion zellulärer
DNA-Replikation, die notwendig ist für die vegetative Replikation der
viralen DNA [17]. Antiapoptotische Aktivitäten des E6-Proteins wirken
dem frühzeitigen Tod der durch E7 zur DNA-Synthese angeregten Zellen
entgegen. Virale Strukturproteine und komplette Virionen sind schließlich
in den obersten Zelllagen milder Dysplasien und Genitalwarzen nachzuweisen
[14]. Die für die vegetative Replikation notwendigen mitogenen und antiapoptotischen
Aktivitäten von E6/E7 in suprabasalen Zellen führen aber nicht zur Krebsentstehung.
Erst eine Deregulation der E6- und E7-Expression über mehrere Jahre
persistierender Infektionen kann zu schweren Dysplasien führen. Die
gesteigerte Expression von E6/E7 in proliferationskompetenten Zellen
führt über die Interferenz mit der Zellzykluskontrolle und der Apoptose
zur onkogenen Transformation [18]. Nur die E6/E7 Proteine der Hochrisiko
HPV-Typen können im Gegensatz zu denen anderer HPV-Typen zu einer malignen
Transformation der Wirtszelle führen. Auch die verschiedenen HR-HPV
weisen eine heterogene Onkogenität auf. Dabei ist allerdings unklar,
ob diese Unterschiede ausschließlich durch die biologischen Eigenschaften
der E6/E7 Proteine bedingt sind.
Die Inzidenz der verschiedenen mit HR-HPV-Infektionen in Verbindung
gebrachten Karzinome ist sehr unterschiedlich, wobei Zervix- und Analkarzinom
besonders häufig und Vagina-, Vulva- und Peniskarzinom um den Faktor
10 bis 20 seltener sind. Dies spricht dafür, dass das Risiko der Tumorentstehung
in hohem Maße vom befallenen Gewebe abhängt.
2.4 Testverfahren zum HPV-Nachweis
Standard bei der Detektion von humanen Papillomviren
im Abstrich ist der Nachweis der viralen DNA. Alle anderen Methoden
wie der Nachweis von RNA, Protein oder HPV-spezifischen Antikörpern
(Serologie) bzw. von durch HPV verursachten zytopathischen Effekten
sind nicht geeignet bzw. für eine Routinediagnostik nicht ausreichend
validiert. Standardisierte Methoden zum HPV-DNA-Nachweis sind die Polymerasekettenreaktion
(PCR) und der Hybrid-Capture 2 (HC2) Test. Beim HC2-Test handelt es
sich um eine Hybridisierung mit RNA-Proben, die das HPV-Genom weitgehend
abdecken und eine anschließende Signalamplifikation. Es werden hierbei
HPV der high-risk-Gruppe (13 Typen) und der low-risk-Gruppe (5 Typen)
nachgewiesen. Seit kurzem ist auch ein separater Nachweis der mit dem
höchsten Progressionsrisiko behafteten Typen 16, 18 und 45 möglich.
Der HC2 Test ist bisher als einziges Verfahren von der US-amerikanischen
FDA (Food and Drug Administration) für einen Routineeinsatz (in Primärscreening,
Triage und nach Therapie von CIN) zugelassen. Bei der PCR erfolgt eine
Hybridisierung mit spezifischen Oligonukleotiden, die „Primer“ genannt
werden, das Hybridisierungsprodukt wird nachfolgend in zyklischen Reaktionen
amplifiziert. Die Sensitivität der PCR ist sehr hoch, mit dieser Methode
lässt sich theoretisch ein einziges Molekül nachweisen. Für den HPV-Nachweis
gibt es PCR-Verfahren mit Konsensusprimern (welche mehrere verschiedene
HPV-Typen in einem Ansatz amplifizieren) und typenspezifische PCR-Verfahren.
Von beiden Varianten sind jeweils mehrere Testsysteme nur zum wissenschaftlichen
Einsatz oder aber als kommerzielles Produkt verfügbar. Die sehr hohe
analytische Sensitivität aller PCRVerfahren für HPV bedingt im Vergleich
mit dem HC2-Test aber keine bessere Sensitivität für die bei der Krebsfrüherkennung
gesuchten Krebsvorstufen und Karzinome. Durch diese vermehrte Erfassung
von klinisch irrelevanten HPVInfektionen ergibt sich eine deutliche
Verminderung der Spezifität der PCR gegenüber dem HC2-Test [19, 20].
Zudem ist gegenwärtig für die meisten kommerziell erhältlichen Verfahren
zum PCR-Nachweis von HPV nur eine geringe Zahl von Publikationen verfügbar.
In der klinischen Routine ergibt sich daher kein Vorteil für den Einsatz
der PCR mit Konsensusprimern im Vergleich mit dem HC2.
Erste Ergebnisse der Studien zur prophylaktischen HPV-Vakzine deuten
darauf hin, dass die Impfung keinen Einfluss auf bereits bestehende
HPV-Infektionen hat [21]. Aus dieser Beobachtung könnte der Schluss
nahe liegen, dass einer Impfung eine HPV-Testung vorausgehen sollte.
Dies ist aus folgenden Gründen gegenwärtig nicht der Fall:
-
Persistierende HPV-Infektionen sind überwiegend Einzelinfektionen, so dass in den meisten Fällen ein Schutz gegen weitere Impftypen gegeben bleibt
-
Ein negativer DNA Test schließt nicht aus, dass eine Frau nicht vorher schon HPV infiziert war, die Infektion überwunden und eine immunologische Kompetenz hat.
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Gegenwärtig ist kein validiertes HPV-Testsystem verfügbar, welches einen Nachweis der impfrelevanten HPV-Typen zu vertretbaren Kosten ermöglicht.
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Eine umfassende HPV-Testung in der Altersgruppe ab 18 Jahren würde zahlreiche passagere Infektionen identifizieren, die keine klinische Bedeutung besitzen und deren Nachweis zu einer erheblichen Verunsicherung von Frauen und Ärzten führen würde. Nicht umsonst wird von allen Experten ein Einsatz einer HPV-Testung im Primärscreening erst ab dem 30. Lebensjahr empfohlen. Dann sollte diese wegen des relativ hohen cut-offs (mit entsprechend hoher Spezifität) möglichst mit dem HC2-Test durchgeführt werden.
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Gegenwärtig ist kein Testsystem zum serologischen Nachweis der typspezifischen Immunantwort auf die HPV-Impftypen vorhanden. Die entsprechenden Untersuchungen bei den Impfstudien wurden mit Nachweisverfahren durchgeführt, welche von den Firmen selbst entwickelt wurden und die nicht kommerziell erhältlich sind.
Hingegen ist ein HPV-Test als Ergänzung der Zytologie bei der Krebsvorsorge ab dem 30. Lebensjahr sinnvoll. Bei Vorliegen zytologischer, kolposkopischer oder anamnestischer Auffälligkeiten ist dies auch bei jüngeren Frauen der Fall. Ebenso ist eine HPV-Testung nach der Therapie von CIN indiziert. (siehe auch S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe).
Eine HPV-Testung zur Entscheidungsfindung vor einer Impfung ist gegenwärtig aufgrund des Fehlens geeigneter Testsysteme und mangelnder praktischer Konsequenzen nicht indiziert. |
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